Die Wii: dem Untergang geweiht?

In den CNET Blogs (genauer: "The Digital Home") findet sich ein Artikel, der mit Is the Wii a fad? ausreichend suggestiv übertitelt ist - denn das Fazit des Artikels lautet: ja, vielleicht.

Der gleiche Autor im gleichen Blog schreibt an anderer Stelle An ode to Microsoft, Sony, Nintendo, Apple, and Linux zealots. Dort erklärt er, was er von den "Fanboys" (sein Wort: "Zealots") der PC- und Videospielwelt hält. Und gibt über die "Nintendo Zealots" zu Protokoll:

With the release of the Wii, this group has a whole new lease on life and to be quite honest, it could become the biggest (and baddest) group in town.
I don't think I've ever been a member of this group -- it scares me too much.

Behalten wir das kurz im Gedächtnis.

Zurück zum ersten Artikel, Is the Wii a fad?, wo er sehr schön seine Prämisse erläutert:

For years, game developers have made a boatload of money supporting consoles that take graphics and gameplay to another level. Sorry to say, graphics still matter, and because the Wii is lacking, some walk into a room, play with it for an hour, tell everyone how fun it is, and go back to their PS3 to marvel at the look of a game.

"Sorry to say", das Todschlagargument: es tut mir ja leid, aber so ist es. Uh.

Die Grafik der Wii ist nicht übel (und es muß nicht immer das bunte Pilskönigreich sein), doch kein Vergleich zu Xbox 360 und PS3. Doch muß man deshalb gleich die Videospielenden zu hirnlosen Zombies herabstufen, die damit glücklich zu machen sind, wenn es auf dem Bildschirn naturalistisch rummst und die Blutfontänen in physikalischer Präzision durch die Gegend sprudeln? Sorry to say, aber das ist in der Tat nicht das Zielpublikum der Wii. Kann nicht. Muß nicht.

Meine persönliche Erfahrung mit der Wii: man trifft beim Spaziergang ein Enddreißiger-Pärchen, die begeistert von ihrem letzten Wii-Abend bei Freunden erzählen (ohne daß sie von mir auf das Thema "Wii" gebracht worden wären), und sich nun ebenfalls diese Konsole zulegen wollen. Oder andere holen sich das Teil, weil die Spiele Spaß machen (und der Preis mehr als fair erscheint: 250 Euro für eine Konsole plus Spiel).

Die einzigen Leute, die ein PS3-Spiel sehen und denken "Geile Grafik, muß ich haben", sind genau die Leute, die sich ohnehin eine PS3 holen würden (wenn nach Kauf der Xbox noch genug Geld im Portemonnaie ist, versteht sich). Und, mal unter uns: wer grafisch auf dem neuesten Stand sein will, kommt am (nachrüstbaren) PC nicht vorbei - was heute auf der PS3 für gute Grafik gehalten wird, ist in zwei Jahren auf dem PC Schnee von vor, nun, zwei Jahren.

Sein zweiter Kritikpunkt in Richtung Wii, nach der (unbestritten) unspektakulären Grafik ist der mangelnde Erfolg von Wii-Spielen, die nicht von Nintendo sind. Das klingt zum Beispiel so:

I understand the same can be said for any console, but if you look at game sales figures, it seems people are buying third-party titles for the Xbox 360 in droves, which suggests to me that they're still using the consoles. And while people may still be using the Wii to play Wii Sports or any number of Mario games, where does that leave third-party developers that rely on strong sales to stay in business?

Ja, wo bleiben die armen Entwickler, die der Wii solche Perlen geschenkt haben wie Boogie (IGN Score 4.5/10), Red Steel (IGN Score 6/10 (US)), Spider-Man 3 (IGN Score 5.7/10), Farcry Vengeance (IGN Score 4/10), Shrek the Third (IGN SCore 6/10), NBA Live 08 (IGN Score 4.9/10), Spider-Man: Friend or Foe (IGN Score 4.9/10), Dragon Blade: Wrath of Fire (IGN Score 5.6/10), undundund?

Natürlich, Nintendo dominiert den Wii-Markt. Aber das hat auch Gründe. Die Spiele sind tatsächlich gut. Es sind weder hingerotzte Lizenztitel, noch billige und uninspirierte PS2-Ports mit fragwürdiger Wii-Remote-Steuerung, noch eiligst zusammengeschusterter Mist. Mach ein gutes Spiel, und die Leute kaufen es. Mach einfach nur flott irgendwas für die Wii, und es liegt wie Blei im Regal.

Kommen wir abschließend auf die Meinung des CNET-Autors bezüglich der "Nintendo Zealots" zurück. Diese kommentieren seinen Artikel fast ausschließlich mit sachlichen und ausführlichen Beiträgen. Wie er sich dann zu der Äußerung hinreißen läßt, die "Nintendo Zealots" könnten zur "biggest (and baddest) group in town" werden, ist mir ein Rätsel.

Bleibt festzuhalten: Videospiel- (oder, wie hier, Unterhaltungselektronik-) Industrieinsider machen die Wii schlecht, wo es nur geht. Aus dem ganz einfachen Grund, weil sie die Konsole nicht verstehen. Mit der Wii hat (hoffentlich) das ewige Schwanzvergleichen der Videospielkonsolen ein Ende. Um die naheliegende Analogie des Automobilmarktes zu bemühen: ist es wirklich so toll, wenn du 400 PS unter der Haube hast, du aber erstens die Karre fast nie bis zum Limit fahren kannst, und sie sich zweitens im Vergleich zu anderen Autos steuern läßt wie ein Eimer?

Warten wir ab, was noch passiert. Die Wii wird sicher nicht die anderen Systeme vom Markt verdrängen, und selbst die PS3 könnte sich noch erholen. Aber eines kann ich nicht mehr hören: "Die PS3 wird sich durchsetzen, da sie die beste Grafik hat" (so letztens ein Freund, der privat über zwei PCs mit drei 21"-TFTs und einen Beamer verfügt). Denn das, und da setze ich jeden einstelligen Betrag drauf, ist nicht das entscheidende Kriterium. Derweil verkauft sich die Wii dank Mund-zu-Mund-Propaganda.

Oder liege ich falsch?